REST IN PEACE, JURI!

Mit tiefer Bestürzung mussten wir vergangene Woche vom Tod unseres Weggefährten und Freundes Juri erfahren. Juri war seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der Fanszene des 1. FC Kaiserslautern und hat die Ultraszene in weiten Teilen mitgeprägt. Kaum ein anderer hat die Freundschaft zur Horda Frénétik so gelebt wie er.

Darüber hinaus war Juri mit seiner sympathisch-verpeilten Art auch außerhalb der Fußballszene bei vielen Menschen in Lautern bekannt und sehr geschätzt. Auch wenn er es im Leben oft nicht leicht hatte, fand bei ihm jeder und jede von jung bis alt immer ein offenes Ohr und warme Worte.

Wir richten unser aufrichtiges Beileid und Mitgefühl an Juris Familie und all seine Freundinnen und Freunde, die ihn kennen und lieben gelernt haben.

Die Stadt wird deinen Namen nicht vergessen.
Ruhe in Frieden, King Gourbi One!

Gedankensprung zur aktuellen Repression gegen Ultras

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Deutschland 2017 – der Polizeistaat rüstet auf.

In der Ausgabe #158 des UDH haben wir bereits einen Blick auf die Möglichkeiten der Überwachung seitens des Polizeiapparates geworfen. Wer die Ausgabe verpasst hat, kann sie jederzeit auf unserem Blog auf www.unter-die-haut.net online nachlesen. In den vergangenen Wochen und Monaten kam es zu immer neuen krassen Berichten über staatliche Repressionsmaßnahmen. Mal wieder sind neben politischen Aktivisten vor allem Fußballfans betroffen. Während es zwischen Fans und den Fußballverbänden zu Annährungen kommt, befindet sich das Verhältnis zwischen Exekutive und Fanszene weiter auf Talfahrt. Eine Entwicklung, die gewollt scheint. Neben der linken Szene haben Fußballfans schon lange den Status „Staatsfeind Nummer eins“ – zumindest verhält sich die Staatsmacht so, bei der das Feindbild des Fußballfans schon längst manifestiert ist. Die immer heftigeren Geschütze, die gegen organisierte Fanstrukturen aufgefahren werden, lassen dein Eindruck zu, Ziel sei es nicht, Straftaten zu verhindern, sondern Fanstrukturen systematisch zu zerschlagen. Diesen Artikel schreibe ich letztendlich vor allem wegen zwei Vorfällen: dem gerichtlich erwirkten Führerscheinentzug Oberhausener Ultras und der Durchsuchung des Fanprojektes in Darmstadt. Seit der Idee zu diesem Text haben allerdings noch weitere Meldungen aus dem Osten der Republik Wellen geschlagen und auch aus Oberhausen gibt es Neuigkeiten. Aus einer kleinen Anfrage im sächsischen Landtag ging hervor, dass die junge Gruppe aus der Fanszene der BSG Chemie Leipzigs, die „Ultra’ Youth“, von einem Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung betroffen ist. Diese Ermittlungen stützen sich auf §129 des Strafgesetzbuches. Dort heißt es, dass Gründer oder Mitglieder einer Vereinigung, deren Zweck das begehen von Straftaten ist, mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden kann. Einer Ultragruppe wird also vorgeworfen, ihr übergeordnetes Interesse läge darin, Straftaten zu organisieren und zu begehen, womit sie auf eine Stufe mit Banden der organisierten Kriminalität gestellt werden. Weitere Vorkommnisse einer besorgniserregenden Qualität der Repression waren die Hausdurchsuchungen in Dresden und Darmstadt. Beide haben gemeinsam, dass die Räumlichkeiten des jeweiligen Fanprojektes durchsucht wurden. Fanprojekte sind Anlaufpunkte für alle, aber vor allem jugendliche Fans und damit auch per Auftrag und Selbstverständnis vor allem pädagogische Einrichtungen und Schutzräume für selbige, welche über das Sozialgesetzbuch geregelt und auch staatlich gefördert werden. Fans von Union Berlin haben die Problematik per Spruchband auf den Punkt gebracht: „Wer pädagogische Zentren stürmt – nimmt in Kauf, dass sich die nächste Generation entzürnt!“. Dass diese Schutzräume in dieser Art und Weise verletzt wurden, dürfte das Verhältnis zur Polizei bei vielen Jugendlichen nicht gerade verbessern. Dazu kommen noch die mehr als fragwürdigen Umstände der Durchsuchungen. In Darmstadt vermutete die Polizei Täter eines Raubes unter den ca. 60 Gästen der Weihnachtsfeier des Fanprojektes. Alle Anwesend wurden erkennungsdienstlich behandelt und – wie die Räumlichkeiten – durchsucht, dabei wurden viele Gäste lange in der Kälte festgehalten. Gefunden wurde natürlich nichts. Abzuwarten bleibt, was die Polizei mit den erfassten Daten anstellt. In Dresden waren die Gründe andere, aber ebenso dubiose. Die Maßnahmen richteten sich nicht etwa gegen Verdächtige einer Gewalttat oder ähnlichem, sondern gegen die Organisatoren der Mottofahrt der Dresdner nach Karlsruhe im Mai diesen Jahres. Im Zuge dieser erlitten 15 Polizisten ein Knalltrauma aufgrund geworfener Böller. Dies nahm die Staatsanwaltschaft Karlsruhe zum Anlass die Wohnungen und Geschäftsräume von 28 angeblichen Führungspersonen der Szene von 370 Beamten durchsuchen zu lassen. Darunter waren auch die Räumlichkeiten des Fanprojektes. Dessen Verantwortliche stellten darauf die Zusammenarbeit mit der Polizei in Frage und lassen rechtliche Schritte prüfen. Dies waren jetzt nur einige aktuelle Repressionsmaßnahmen, die mediale Aufmerksamkeit bekommen haben. Daneben stehen die immer zahlreichen, schon alltäglichen Repressionen der willkürlichen Stadion- und Stadtverbote, Einschüchterungsversuche in Schulen oder am Arbeitsplatz, vorgeschriebenen Anreisewege, Polizeigewalt oder Führerscheinentzüge. Auf Letztere will ich noch kurz eingehen: ein Oberhausener Ultra klagte nun erfolgreich dagegen, eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU) über sich ergehen lassen zu müssen. Allerdings nur wegen eines Formfehlers seitens der Stadt, die schon einen neuen Anlauf angekündigt hat. Nach einem Urteil von 2010 bleiben Führerscheinentzüge auch außerhalb des Straßenverkehrs ein Mittel der „Gewaltprävention“.

Ein Problem am Kampf gegen staatliche Repression ist, dass die Staatsmacht – auch wenn sie gerne jammert –  im Vergleich zu den Fans gewaltige Ressourcen an Personal, Material und Geld hat. Jüngst forderte der Dortmunder Polizeichef lebenslange Stadionverbote, damit sich die Polizei ja endlich um wichtigere Dinge kümmern könne. Auch Judikative und Legislative arbeiten der Exekutive gerne zu. So schafft die Gesetzgebung auch gerne nachträglich die Grundlage für Repressionen (siehe Datei Gewalttätersport) oder Überwachungsmaßnahmen und die Justiz ist auch gerne auf Seiten der Polizei. Ein Hoch auf die Gewaltenteilung, der Staat muss sich wohl dringend vor uns gefährlichen Fans schützen. Deshalb ist Besonnenheit, Klugheit und Zusammenhalt die Losung der Stunde. Unser Kampf wird nicht militärisch geführt. Unsere Waffen sind nicht Knüppel und Pfefferspray, sondern Zusammenhalt, Freundschaft und Solidarität! „Entzürnt“ euch, aber seid besonnen – jedoch immer rebellisch!

Für immer Ultras!

Gedankensprung zum Thema Zaunfahnenverlust

Darmstadt-zensiertIn letzter Zeit kam es in Ultra’-Deutschland vermehrt zu Auflösungen verschiedener, teils alter und bekannter Gruppen. Brandaktuell sind die Auflösungen von Supside Kiel nach einem Fahnenverlust an St. Pauli und die der Sektion Spielsucht Kiel, nachdem Darmstädter mehrere Fahnen vom Gästeblock rissen.

Allgemein hört man des Öfteren davon, dass Fangruppen, vor allem ultraorientierte, sich nach einem, wie auch immer zustande gekommenen, Fahnenverlust auflösen. Dies gilt in der Szene ja allgemeinhin als ein Schritt, den der ungeschriebene „Ehrenkodex“ der Ultras gebietet. Die Zaunfahne gilt als das Heiligtum der Gruppe, da sind sich wohl fast alle ultraorientierten Menschen einig. Der Verlust dieser schmerzt immer, egal wie er passiert ist. In folgenden Stellungnahmen liest man häufig Floskeln wie „wir sehen uns zu diesem Schritt gezwungen“. Gezwungen von was? Dem über allem stehenden Ehrenkodex aller Ultras? Dem eigenen Selbstverständnis? Dem Image, das man wahren möchte? Der eigenen Ratlosigkeit oder dem Frust der Niederlage? Es ist wichtig, diesen einschneidenden Schritt und die eigenen Motive sehr kritisch zu hinterfragen. Zum einen stellt sich die Frage, inwiefern der vielbeschworene Ehrenkodex wirklich etwas mit „Ultra’ sein“ zu tun hat. So ist Ultra’ doch für viele gerade sich nicht an Vorschriften anderer zu halten, rebellisch zu sein und sich seine Regeln und Grenzen stets selbst zu setzen und diese auch mal zu überscheiten. Ist man der bessere, konsequentere Ultra, wenn man sich einem Kodex beugt, mit dessen Entstehung man rein gar nichts zu tun hat, zumal auch sehr viele Gruppen aus dem Mutterland der Ultras – Italien – diesen Kodex sehr flexibel ausgelegt haben, oder passt es nicht besser zu einer freiheitsliebenden Jugendkultur, wenn man stets seinen eigenen Weg verfolgt, egal was irgendjemand sonst denkt? Ist die Fahne verloren, hört man oft das berühmte „Weg ist weg!“, die Fahne ist futsch, die Konsequenzen müssen also jetzt gefälligst gezogen werden! Bei objektiver Betrachtung sind die Umstände des Verlustes jedoch nicht unwichtig dafür, welche Rückschlüsse daraus auf die Gruppe, ihre Stärken und Schwächen und den internen Zusammenhalt zu schließen sind. In der Vergangenheit kam es oft zu Einbrüchen in Lagerräume und auch Wohnungen, um Materialien verfeindeter Gruppen zu erbeuten. Dies sagt wohl weniger über die betroffene Gruppe, als über die Mentalität der Diebe aus. Auch ist es durchaus ein Unterschied, ob die Fahne wegen Nachlässigkeiten der Gruppe selbstverschuldet verloren gegangen ist, oder trotz aller Bemühungen von einem übermächtigen Gegner erbeutet wurde. Gesteht man sich dann eine Niederlage ein, strukturiert die Gruppe um, kämpft weiter, um so etwas künftig zu verhindern, oder ist der Verlust so erschütternd, dass man den Rückzug antritt und die Gruppe auflöst. Ist das dann einfach konsequent oder ein Aufgeben? Wie sollte die Gewichtung von Ehrenkodex, Image, Freundschaft, Loyalität und Liebe zum Verein sein? Wie zum Beispiel in München gesehen, wird meist kurze Zeit nach der Auflösung von Gruppen eine neue gegründet, die zum aller größten Teil aus denselben Menschen besteht, die vorher schon hinter einer anderen Fahne sich für ihren Verein und ihre Stadt aufgeopfert haben. Ist dies wirklich ein nötiger Schritt, um sich die Niederlage einzugestehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, oder ist das mehr ein Versuch, den Schmerz der Niederlage zu umgehen, indem man sich einfach einen neuen Namen gibt? Das Thema ist viel zu komplex und abstrakt, um hier wirkliche Antworten zu geben, was auch gar nicht der Anspruch sein sollte. Ultra’ definiert jede und jeder für sich anders, jede Gruppe hat ein verschieden geartetes Zusammenleben und Selbstverständnis, jede Szene entwickelt sich auf ihre Weise. Daher muss die Frage erlaubt sein, inwiefern es Regeln für die Ultraszene im Ganzen geben sollte beziehungsweise kann. Die Auflösung einer Gruppe heißt für die Betroffenen nicht nur die Beendigung eines Kapitels oder einen Neuanfang, sondern auch den Verlust eines Teils der Identität. Außerdem ist es hier, wie so oft im Leben: man hat zu einem Thema viel zu sagen und eine gefestigte Meinung, bis man selbst betroffen ist. Im Endeffekt sollte jeder Einzelne seinen Idealen treu bleiben und sich nicht von anderen reinquatschen lassen.