In der Ausgabe #158 des UDH haben wir bereits einen Blick auf die Möglichkeiten der Überwachung seitens des Polizeiapparates geworfen. Wer die Ausgabe verpasst hat, kann sie jederzeit auf unserem Blog auf www.unter-die-haut.net online nachlesen. In den vergangenen Wochen und Monaten kam es zu immer neuen krassen Berichten über staatliche Repressionsmaßnahmen. Mal wieder sind neben politischen Aktivisten vor allem Fußballfans betroffen. Während es zwischen Fans und den Fußballverbänden zu Annährungen kommt, befindet sich das Verhältnis zwischen Exekutive und Fanszene weiter auf Talfahrt. Eine Entwicklung, die gewollt scheint. Neben der linken Szene haben Fußballfans schon lange den Status „Staatsfeind Nummer eins“ – zumindest verhält sich die Staatsmacht so, bei der das Feindbild des Fußballfans schon längst manifestiert ist. Die immer heftigeren Geschütze, die gegen organisierte Fanstrukturen aufgefahren werden, lassen dein Eindruck zu, Ziel sei es nicht, Straftaten zu verhindern, sondern Fanstrukturen systematisch zu zerschlagen. Diesen Artikel schreibe ich letztendlich vor allem wegen zwei Vorfällen: dem gerichtlich erwirkten Führerscheinentzug Oberhausener Ultras und der Durchsuchung des Fanprojektes in Darmstadt. Seit der Idee zu diesem Text haben allerdings noch weitere Meldungen aus dem Osten der Republik Wellen geschlagen und auch aus Oberhausen gibt es Neuigkeiten. Aus einer kleinen Anfrage im sächsischen Landtag ging hervor, dass die junge Gruppe aus der Fanszene der BSG Chemie Leipzigs, die „Ultra’ Youth“, von einem Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung betroffen ist. Diese Ermittlungen stützen sich auf §129 des Strafgesetzbuches. Dort heißt es, dass Gründer oder Mitglieder einer Vereinigung, deren Zweck das begehen von Straftaten ist, mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden kann. Einer Ultragruppe wird also vorgeworfen, ihr übergeordnetes Interesse läge darin, Straftaten zu organisieren und zu begehen, womit sie auf eine Stufe mit Banden der organisierten Kriminalität gestellt werden. Weitere Vorkommnisse einer besorgniserregenden Qualität der Repression waren die Hausdurchsuchungen in Dresden und Darmstadt. Beide haben gemeinsam, dass die Räumlichkeiten des jeweiligen Fanprojektes durchsucht wurden. Fanprojekte sind Anlaufpunkte für alle, aber vor allem jugendliche Fans und damit auch per Auftrag und Selbstverständnis vor allem pädagogische Einrichtungen und Schutzräume für selbige, welche über das Sozialgesetzbuch geregelt und auch staatlich gefördert werden. Fans von Union Berlin haben die Problematik per Spruchband auf den Punkt gebracht: „Wer pädagogische Zentren stürmt – nimmt in Kauf, dass sich die nächste Generation entzürnt!“. Dass diese Schutzräume in dieser Art und Weise verletzt wurden, dürfte das Verhältnis zur Polizei bei vielen Jugendlichen nicht gerade verbessern. Dazu kommen noch die mehr als fragwürdigen Umstände der Durchsuchungen. In Darmstadt vermutete die Polizei Täter eines Raubes unter den ca. 60 Gästen der Weihnachtsfeier des Fanprojektes. Alle Anwesend wurden erkennungsdienstlich behandelt und – wie die Räumlichkeiten – durchsucht, dabei wurden viele Gäste lange in der Kälte festgehalten. Gefunden wurde natürlich nichts. Abzuwarten bleibt, was die Polizei mit den erfassten Daten anstellt. In Dresden waren die Gründe andere, aber ebenso dubiose. Die Maßnahmen richteten sich nicht etwa gegen Verdächtige einer Gewalttat oder ähnlichem, sondern gegen die Organisatoren der Mottofahrt der Dresdner nach Karlsruhe im Mai diesen Jahres. Im Zuge dieser erlitten 15 Polizisten ein Knalltrauma aufgrund geworfener Böller. Dies nahm die Staatsanwaltschaft Karlsruhe zum Anlass die Wohnungen und Geschäftsräume von 28 angeblichen Führungspersonen der Szene von 370 Beamten durchsuchen zu lassen. Darunter waren auch die Räumlichkeiten des Fanprojektes. Dessen Verantwortliche stellten darauf die Zusammenarbeit mit der Polizei in Frage und lassen rechtliche Schritte prüfen. Dies waren jetzt nur einige aktuelle Repressionsmaßnahmen, die mediale Aufmerksamkeit bekommen haben. Daneben stehen die immer zahlreichen, schon alltäglichen Repressionen der willkürlichen Stadion- und Stadtverbote, Einschüchterungsversuche in Schulen oder am Arbeitsplatz, vorgeschriebenen Anreisewege, Polizeigewalt oder Führerscheinentzüge. Auf Letztere will ich noch kurz eingehen: ein Oberhausener Ultra klagte nun erfolgreich dagegen, eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU) über sich ergehen lassen zu müssen. Allerdings nur wegen eines Formfehlers seitens der Stadt, die schon einen neuen Anlauf angekündigt hat. Nach einem Urteil von 2010 bleiben Führerscheinentzüge auch außerhalb des Straßenverkehrs ein Mittel der „Gewaltprävention“.
Ein Problem am Kampf gegen staatliche Repression ist, dass die Staatsmacht – auch wenn sie gerne jammert – im Vergleich zu den Fans gewaltige Ressourcen an Personal, Material und Geld hat. Jüngst forderte der Dortmunder Polizeichef lebenslange Stadionverbote, damit sich die Polizei ja endlich um wichtigere Dinge kümmern könne. Auch Judikative und Legislative arbeiten der Exekutive gerne zu. So schafft die Gesetzgebung auch gerne nachträglich die Grundlage für Repressionen (siehe Datei Gewalttätersport) oder Überwachungsmaßnahmen und die Justiz ist auch gerne auf Seiten der Polizei. Ein Hoch auf die Gewaltenteilung, der Staat muss sich wohl dringend vor uns gefährlichen Fans schützen. Deshalb ist Besonnenheit, Klugheit und Zusammenhalt die Losung der Stunde. Unser Kampf wird nicht militärisch geführt. Unsere Waffen sind nicht Knüppel und Pfefferspray, sondern Zusammenhalt, Freundschaft und Solidarität! „Entzürnt“ euch, aber seid besonnen – jedoch immer rebellisch!
Geht es nach der UEFA ist die Aussage die einzige Wahrheit. Denn wie das NDR-Recherchemagazin “Panorama 3” aufgedeckt hat, fordert die UEFA von den deutschen Bewerberstädten für die EM 2024 sogenannte “Verpflichtungserklärungen” – und diese sind in Bezug auf die Grundrechte mehr als heikel. So sollen sich die Städte, in denen Spiele ausgetragen werden, dazu verpflichten, “kommerzielle Zonen” zu schaffen in denen Demonstrationen verboten sind. Die UEFA begründet dies mit dem allseits bekannten Totschlagargument, nach dem “Politik und Sport nicht miteinander vermengt werden sollten”. Der UEFA geht es darum, ein möglichst cleanes und störungsfreies Event durchführen zu können, bei dem maximale Einnahmen erzielt werden sollen. So erklärt sich auch die Forderung, dass in diesen Zonen in Kneipen und Bars keine Übertragungen der Spiele auf Großbildleinwänden stattfinden dürfen – denn dort könnten Einnahmen durch Dritte erzielt werden, die der UEFA letztlich flöten gehen könnten.
Traurig, aber im Sinne städtischer Standortlogik: Alle Bewerberstädte haben diese Verpflichtungserklärung bisher unterschrieben – lediglich Bremen hat den Originaltext etwas an das Grundgesetz angepasst und dann erst unterschrieben; wobei Bremen wie Hannover oder Mönchengladbach den Zuschlag seitens des DFB sowieso nicht bekommen hat.
Doch nicht nur die Aushebelung grundrechtlicher Standards sollte den Städten eigentlich Bauchschmerzen bereiten, auch die Austragung der Spiele an sich birgt finanzielle Risiken – wir in Kaiserslautern können ein Lied davon singen. Das gute an der WM 2006: Die Stadt Kaiserslautern hat daraus gelernt. Die Bewerbung zur EM 2024 wurde zurückgezogen. Und das aus gutem Grund. So geht aus dem Richtlinienpapier der UEFA hervor, dass die Austragungsstadt alle Kosten für eine solche kommerzielle Zone – also Public Viewing samt Getränke- und Essensverkäufen und so weiter – selbst zu tragen hat, die Umsätze aus Essen und Trinken jedoch in Gänze an die UEFA gehen – und das am Besten steuerfrei. Denn die UEFA wünscht ein Steuersonderrecht in ihrem Austrangungsstatut, das sie im besten Fall auch von der Mehrwertsteuer befreit. Nicht zuletzt wird sich die Entscheidung der UEFA, ob letztlich die Türkei oder Deutschland den Zuschlag für die EM erhält, vorallem daran festmachen, welches Land bereit ist, der UEFA diese Sonderrechte bzw. die Aushebelung geltenden Rechts zu gewährleisten.
Sollte die Entscheidung pro Deutschland ausfallen, kann es zumindest dem geneigten Betze-Anhänger egal sein – denn dieser Kelch geht diesmal zum Glück an uns vorbei!
Hier noch ein Bericht der ARD zu diesem Thema sowie ein kurzer Beitrag dazu im NDR-Sportclub:
Das Thema ist ja gerade wieder auf der Tagesordnung, nachdem der Aufsichtsrat von Hannover 96 den Plänen Martin Kinds zustimmte, die entscheidenden Anteile am Verein an selbigen abzutreten. Damit erhält, nach angenommenem Antrag durch die DFL, Hannover 96 in Bälde den gleichen Status wie Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim – nämlich nicht mehr von 50+1 Regel betroffen zu sein. Bei 1860 München scheint das Ganze ebenfalls nur noch Formsache zu sein, sollte – und davon gehen Juristen aus – Hasan Ismaik mit seiner Klage gegen die 50+1 im Falle von 1860 erfolgreich sein.
Die Sportschau hat nun einen lesenswerten Kommentar zur 50+1 Regel und zum Fall Hannover veröffentlicht, den wir euch nicht vorenthalten wollen:
Dabei wollen wir aber auch anmerken, dass eine lebendige Fankultur keinerlei Auswirkungen auf das Produkt Bundesliga hat. Fans und Fankultur sind Werte, die bei der Verwertung des Produkts Bundesliga und bei den Umsätzen der Vereine der Bundesliga nicht nur keine Rolle spielen, sondern ihr auch im Weg stehen. Fernsehgelder und Merchandising sind wichtigere Einnahmequellen als Stadionbesucher und Vereinsmitglieder. Nicht ohne Grund ist die Premier League, die Fußballware mit dem größten Wert auf dem globalen Markt und gleichzeitig aus fankultureller Sicht die unattraktivste Liga. Das heißt jedoch nicht, dass ein Zwischenweg aus größtmöglicher Vermarktung, bei größtmöglicher Beachtung von Faninteressen möglich ist – auch weil ohne Vermarktung Profifußball in Deutschland aufgrund der Ligenkonkurrenz nicht zu denken ist. Wie man dazu steht, ist jedem selbst überlassen.
Der Fußball-Abend am letzten Donnerstag wurde durch eine Reportage der ARD im Anschluss an das Relegations-Hinspiel abgerundet. Die 30-minütige Reportage trägt den Titel “Putins Generalprobe”. Es wird also schon am Namen deutlich worum es geht, die WM 2018 in Russland und den diesjährigen Confed-Cup als Generalprobe. Dieser Beitrag beantwortet Fragen wie: Wie weit ist der Bau der Stadien vorangeschritten? Wie sind die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen? Was tut der Weltverband FIFA dagegen? Was sagt Gianni Infantino dazu, sagt er überhaupt etwas? Aber auch Gewalt ist ein Thema und so wird über die Verbindung zwischen russischen Hooligans und Politikern berichtet.
Wir als euer UdH-Team können euch diese Reportage empfehlen, denn wieder einmal kommt das wahre Gesicht der FIFA ans Licht. Schlagworte wie Korruption, Kostenexplosionen und Menschenrechtsverletzungen dürfen dabei also nicht fehlen.
Hier geht’s zur Reportage in der ARD-Mediathek: Klick
Zwischen dem 1. Mai und dem 26. Juni findet die zweite Pride Week in Kaiserslautern statt. In diesem Zeitraum wurden mehr als zwanzig Veranstaltungen organisiert, bei denen es um „Aufklärung und Information zur aktuellen Situation von LSBTI-Menschen und anderer Minderheiten“ geht. Der Schwerpunkt liegt dieses Jahr auf dem Themenfeld „Sport“.
Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen, wie Vorträgen, Sportveranstaltungen, Aktionstagen, Filmvorführungen, Diskussionsrunden, Workshops, Partys oder Freizeitaktivitäten, möchten die Veranstalter auf Diskriminierung im Sport aufmerksam machen und für dieses Thema sensibilisieren. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der vor allem im Sport immer noch akzeptierten Homophobie. Schwul oder lesbisch (bzw. LGBT) zu sein, ist leider immer noch ein absolutes Tabu-Thema auf dem Platz, in der Kabine oder auch in vielen Fankurven.
Hinter der Pride Week KL stecken verschiedene Initiativen und Gruppen aus Kaiserslautern und Umgebung. Dazu gehören die AIDS-Hilfe, BLiA e.V., Lauterjungs & Mädels e.V., Queer Devils e.V, Rosateufel, Schwul-Lesbischer Stammtisch und weitere.
Schirmherr der Pride Week ist unter anderem Martin Wagner mit dem schon am vergangenen Freitag eine Podiumsdiskussion zum Thema „Beleidigen, Diffamieren, Diskriminieren – Entwicklungen der Umgangskultur im Profisport“ auf dem Betze stattfand.
Wir möchten an dieser Stelle mal drei Veranstaltungen besonders bewerben. Die restlichen Veranstaltungen könnt ihr hier einsehen: http://www.barbarosa.de/veranstaltungen/
Ein Gespenst geht um am Betze, das Gespenst der Ausgliederung. So oder so ähnlich könnte man einen solchen Text beginnen, der sich mit einem sehr heiklen Thema befasst, das – anders als die obige Zeile historisch konnotiert – nicht zu mehr Freiheit und Demokratie, sondern in diesem Fall eher zu weniger Mitbestimmung und Demokratie im Verein führen könnte.
Dieses Thema ist die Herauslösung der Profi- bzw. Lizenzspielerabteilung aus dem e.V. (eingetragener Verein) in eine Kapitalgesellschaft. Was bei vielen Vereinen der ersten und zweiten Bundesliga mittlerweile längst geschehen ist, könnte demnächst auch bei uns am Betze Realität werden. Nachdem bereits Mitte der 2000er unter Rene C. Jäggi und auch danach in der Kuntz-Ära das Thema Ausgliederung auf die Tagesordnung kam – einige können sich sicher noch gut an die Jahreshauptversammlung erinnern -, man sich in letzter Konsequenz dann doch nicht an eine Umsetzung machte, wollen die Herren Gries und Klatt es nun (noch einmal) selbst probieren. Dabei spielen sie natürlich die Karte des Erfolges und Ködern alle FCK-Fans und Mitglieder mit dem schönen Ziel 1. Bundesliga. Laut Vorstand würde es unser Verein jedoch nur wieder hoch schaffen, wenn wir einen Investor an Land ziehen würden. Dazu bedürfe es einer Ausgliederung der Profiabteilung. Denn wie Gries jüngst in der Rheinpfalz verkündete, hat ein Investor „rein rechtlich … keine Möglichkeit, Anteile am eingetragenen Verein zu erwerben“. Demnach könnte ein solcher Investor „nur Sponsoring oder Fremdkapital zur Verfügung stellen“. Der Vorstand, so Gries, suche jedoch „einen strategischen Partner, der mit uns eine Partnerschaft eingeht, mit seinem Kapital den Weg mit uns bereitet, um die erste Liga zu erreichen“. Was man den Herren Klatt und Gries zu Gute halten muss – und das haben die vorherigen Vorstände versäumt – ist die offene und ehrliche Kommunikation nach außen und auch die Partizipationsmöglichkeit an diesem (vorbereitenden) Prozess. Die Vereinsführung hat dazu nämlich einen Arbeitskreis gegründet, in dem neben den Vorständen Thomas Gries und Michael Klatt, der Aufsichtsratsvorsitzende Nikolai Riesenkampff, ein Mitglied des Ehrenrates sowie fünf Vereinsmitglieder sitzen. Außerdem können sich FCK-Mitglieder zu den Treffen anmelden und an jedem Ende der Sitzung Fragen stellen.
Soweit die Fakten. Nun zu (m)einer fan- bzw. mitgliedskritischen Sichtweise. Ja, sicherlich stellt eine Ausgliederung in der heutigen Zeit einen wichtigen Faktor zur Herstellung einer Wettbewerbsfähigkeit im Kapitalgeschäft Bundesliga dar, doch sollte dies niemals zu Lasten der Mitbestimmung seitens der Mitglieder im Verein gehen. De facto aber kommt eine Ausgliederung einer Beschneidung der Mitgliedermitbestimmungsrechten gleich. Auch wenn die 50+1 Regel (noch) greift und ein möglicher Investor damit niemals die Mehrheit an Stimmen haben kann, bedeutet dies trotzdem, dass die Stimmenverteilung ungleicher und damit undemokratischer wird. Man muss sich das so vorstellen: In einer GmbH z.B. wäre dann der Investor Anteilseigner sowie der FCK. Der FCK hätte maximal 49 % der Stimmanteile und der FCK 51%. Man müsste sich als „Verein“ also gegen einen „Partner“ behaupten, der ganz andere Interessen als die Vereinsmitglieder besitzt. Z.B. wenn es um Vermarktung oder ähnliches geht – Beispiel: Name des Stadions oder ähnliches. Man begibt sich mit einer Ausgliederung nicht nur in eine demokratische Ungewissheit, sondern auch in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von einem oder mehreren Investoren. Negativbeispiel ist hierbei sicherlich der TSV 1860 München. Nicht nur, dass Hasan Ismaik gewiss nicht vor seinem Einstieg überhaupt etwas vom TSV 1860 gehört hat und ihm die Interessen des Vereins und der Fans/Mitglieder völlig egal sind – da sie nämlich im Widerspruch zu seinen rein kapitalorientierten stehen -, sondern auch, dass man nämlich – sollte sich mal ein (oder der einzige) Investor zurückziehen – auf einen nächsten Investor angewiesen wäre – Suche und Findung vorausgesetzt. Solch ein Szenario könnte ganz schnell in eine Insolvenz oder in eine wirtschaftliche Talfahrt münden. Denn bei einem Investorenmodell (speziell bei einer AG) sinkt das Eigenkapital – der BVB hält z.B. nur ca. 5% des Kapitals an der BVB AG –, das im Falle eines Investorenausstiegs oder beim Fallen der Aktie wenig finanziellen Rückhalt bieten würde. Natürlich ist dies ein sehr krasses Szenario – aber man muss im kapitalorientierten (Fußball) Geschäft mit allem rechnen – Gewinnen – Krisen – Verlusten und Insolvenzen. Ich möchte an dieser Stelle jedoch auch fairerweise anmerken, dass es durchaus Investoren geben kann, die sich der Sache des Vereins und der Fans verschreiben können und sich die Wahrung der Identität des Vereins als Investorenaufgabe machen können. Z.B. wenn man es schafft, einen Investor aus der Region an Land zu ziehen, der sich mit dem FCK zu einhundert Prozent identifiziert – das dürfte jedoch keine einfache Aufgabe sein.
Noch steht uns eine Ausgliederung nicht direkt bevor. Dazu bedarf es einer außerordentlichen Mitgliederversammlung (die laut Gries auch einberufen werden soll). Diese könnte durch Wahrung einer einmonatigen Frist zur Einladung durch den Vorstand einberufen werden. Gewiss geschieht dies aber in Rücksprache mit dem Arbeitskreis „Ausgliederung“. Bis dahin wird noch genug Zeit sein, sich kritisch und rational mit dem Thema auseinanderzusetzen, um letztlich eine bewusste Entscheidung im Sinne des FCK zu treffen. Dabei muss man letztlich wohl abwägen, ob man wettbewerbsfähig bleiben oder ob man die größtmögliche Mitbestimmung im Verein erhalten möchte. Ein Modell der beides sicherstellt, gibt es auf dem Papier leider nicht. Dies würde letztlich vom jeweiligen Investor abhängen.
Um sich etwas weiter mit dem Thema zu beschäftigen, hier noch ein paar interessannte Links:
In der Saison 2014/2015 stieg der Red Bull Verein aus Leipzig frisch in die 2. Liga auf. Für uns Ultras war damals klar, wir müssen da was machen. So starteten wir als Ultraszene in Kaiserslautern mit anderen Ultrà- und Supportergruppen die Kampagne „Nein zu RB“. Erste öffentlichkeitswirksame Aktionen wurden durchgeführt. Neben einer inhaltlichen Auseinandersetzung, fanden auch eher plakative Aktionen statt. Einige Fanszenen boykottierten gar die Auswärts-, und sogar die Heimspiele, gegen RB Leipzig – so auch wir.
All diese Aktionen verhinderten natürlich nicht den Aufstieg RB Leipzig in die Bundesliga – verzögerten ihn jedoch gewiss. Denn das negative Image RB Leipzigs hat sich zwar sicher nicht auf die Verkaufszahlen von Red Bull ausgewirkt, jedoch gewiss ein wenig auf die Moral im Kader. Denn der in fast jedem Stadion spürbare Hass der RB entgegengebracht wurde, hat ohne Weiteres bei dem ein oder anderen RB-Spieler unmittelbare Spuren hinterlassen. Ob der einzelne Spieler nun was dafür kann, dass er dem großen Geld von Red Bull hinterherrennt, darf wahrlich angezweifelt werden, in Zeiten in denen auch Fußballer nichts als Humankapital und demnach Personen sind, die ihre Arbeitskraft zum bestmöglichen Preis verkaufen müssen. Dies zu berücksichtigen ist grundlegend wichtig, will man eine differenzierte Kritik an RB Leipzig und am Fußball generell formulieren. Doch gleichzeitig muss man verstehen, dass nicht jeder Fan über die Grundprinzipien politischer Ökonomie Bescheid wissen kann. Oft klingen dann solche Argumente, die das System in den Vordergrund rücken, sehr von oben herab oder schlichtweg zu intellektuell und sie gehen am gewöhnlichen Fußballfan und seiner Wahrnehmung vorbei. Denn was wahrgenommen wird, ist, dass sich der Fußball immer weiter von einem entfremdet. Das beginnt beim Stadionerlebnis, dass mittels (überwachungs-)technischer Aufrüstung (Kartenlesegeräte am Einlass, Bezahlen nur noch per Karte), dem Konsumangebot sowie einer dauerhaften Kontrolle und Überwachung (nicht nur beim Einlass) und endet beim Ändern des Stadionnamens in Firma XY (z.B. „Trolliarena“). Neben diesen eher schon lang stattfindenden schleichenden Entfremdungstendenzen – also weg von einem Fußball „wie er früher einmal war“ – finden nun auch solche statt, die für viele schlicht und ergreifend eher prompt und unvorhergesehen kommen. So halt auch die Gründung RB Leipzigs und der schnelle Aufstieg in die Bundesliga. Dies führt dann dazu, dass für viele Fans nun eine Grenze überschritten wurde – ohne natürlich zu wissen, dass es nie eine Grenze gab bzw. wenn überhaupt, diese Grenze mit der Gründung der Bundesliga überschritten wurde. Denn dort wurde der Weg zu einer kommerziellen Profiliga geebnet. Und unter kapitalistischen Produktionsbedingungen führt das dann in letzter Konsequenz dahin wo wir heute sind. Die Erkenntnis über diese kapitalistische Logik sollte jedoch nicht dazu verleiten, jede neue Entwicklung ohne weiteres hinzunehmen, mit dem Verweis, „das ist halt so im Kapitalismus“. Dieser Argumentation bedienen sich neben RB-Kritikern auch RB-Befürworter. Das wäre genauso, wie wenn man sagen würde, dass die Banken nun mal so arbeiten, weil wir ja im Finanzkapitalismus angekommen sind. Zwar wird das System – also das des Finanzkapitalismus bzw. des Neoliberalismus – irgendwann implodieren, erste Anzeichen darauf gab ja schon die weltweite Finanzkrise (durch die mehrere Millionen Menschen in den USA obdachlos wurden), doch muss man es soweit kommen lassen? Nein, denke ich. Daher ist auch eine Kritik an RB Leipzig nicht nur richtig, sondern notwendig, um spätestens jetzt gegenzusteuern oder um „Schlimmeres“ zu verhindern. Dabei darf diese Kritik natürlich nicht an RB Leipzig stehen bleiben, sondern muss weitergehen und die komplette politische Ökonomie umfassen. Diese weitergehende Kritik nun aber von jedem Fan zu verlangen, ist völlig unrealistisch und negiert gesellschaftliche Ungleichheiten hinsichtlich Bildung, Kultur und finanziellem Vermögen. Daher scheint es wichtig, sich über diese gesellschaftlichen Machtverhältnisse im Klaren zu sein, um zu verstehen, wie man auch Menschen mit dieser weitergehenden Kritik erreichen kann.
Eins ist schon jetzt klar, eine Kritik um der Kritik willen, bringt uns nicht weiter. Vielmehr muss ein Raum geschaffen werden, in dem (über verkürzte Kritik) diskutiert wird und gemeinsam über Strategien nachgedacht wird. Wir haben dies damals mit der Kampagne „Nein zu RB“ versucht – andere haben lieber von außen bzw. von oben kritisiert.
Jeder kennt den Spruch: “Überwachung? Finde ich nicht schlimm, ich habe ja nichts zu verbergen”. So oder so ähnlich reagieren viele Menschen auf die sich immer weiter ausweitende Überwachung des öffentlichen Raumes. Zu diesem öffentlichen Raum gehören mitunter auch Fußballstadien, in die an jedem Wochenende mehrere Millionen Menschen pilgern, um ihre Mannschaft zu unterstützen oder Fußball zu konsumieren – soll ja mittlerweile auch vorkommen…
Christoph Ruf – Journalist, Publizist und Fußballfan – hat sich nun in seiner Kolumne für die Tageszeitung “Neues Deutschland” über diese Zustände geäußert. Wir finden seine Ausführungen sehr lesenswert und denken, dass es wichtig ist, sich mit dem Thema “Überwachung und Polizeistaat” – auch als Fußballfan – auseinanderzusetzen.
Als Fußballfan schaut man gerne in andere Länder, sei es des Spiels wegen, oder dem Interesse der dortigen Fankultur. Zu den Ländern, die wir bisher eher weniger auf dem Schirm hatten, zählt zweifelsohne Rumänien. Um auch hier einen kleinen Einblick zu bekommen, berichtet einer unserer Schreiber aus Cluj, der zweitgrößten Stadt des Landes und bringt uns die dortige Fußballkultur mit allem was dazugehört etwas näher.
Kleine Anmerkung vorweg: Auf einigen der Bilder im Beitrag ist das sogenannte Keltenkreuz zu sehen. Ich war selbst sehr erstaunt, da ich dieses immer mit einem rassistischen Symbol assoziiert habe. Deshalb habe mit einigen Personen in Rumänien darüber gesprochen und wurde aufgeklärt. Anders als in Deutschland, wo das Symbol in der rechtsextremen Szene – in stark stilisierter Form – weit verbreitet ist, wird das Keltenkreuz in der rumänischen Mythologie als das Symbol der Sonne angesehen. Man kann es auch auf diversen Statuen im Lande wieder finden und es hat eine gewisse Ähnlichkeit zu manchen Kreuzen, die in orthodoxen Kirchen zu finden sind. Einen Artikel zu diesem Thema findet ihr hier, leider nur auf Rumänisch: www.traditionalromanesc.ro (vielleicht hilft euch der Google-Übersetzer, um zumindest einen groben Zusammenhang zu verstehen).
Universitatea Cluj – von der zweiten in die vierte Liga
Es liegen eineinhalb turbulente Jahre hinter Universitatea Cluj, einem rumänischen Viertligisten. In der Saison 2014/2015 konnte man mit dem Einzug ins Pokalfinale den größten Erfolg der Vereinsgeschichte in den letzten 50 Jahre erzielen. Mit einem stattlichen Haufen reiste die Fanszene die etwa 400 Kilometer nach Bukarest zum Finale. Erwähnenswert ist hier vor allem, dass Auswärtsfahrten in Rumänien wesentlich beschwerlicher sind, als in anderen Ländern. Es gibt kaum Autobahnen und durch die große Fläche des Landes sind auch unglaublich lange Anreisen mit dem Zug hier die Regel. Für das Finale konnte die Fanszene mit einem Sonderzug anreisen, der sage und schreibe zwölf Stunden für die Rückfahrt gebraucht hat. All die Strapazen und die fast zwei Tage on Tour konnten leider nicht mit dem Titelgewinn versüßt werden. Trotzdem wird das Finale bestimmt vielen als ein großer Tag in Erinnerung bleiben.
In der gleichen Saison verspielte man zudem in den letzten Spielen auch ein gutes Punktepolster auf die Abstiegsplätze und musste den Gang in die zweite Liga antreten. Ausgerechnet der Stadtrivale CFR Cluj, der mit erheblichem Punktabzug wegen Lizenzverstößen in die Saison starten musste, konnte U noch einholen. Die darauffolgende Saison beendet man in der zweiten Liga auf Platz 10 von 17, was für die Kicker in Schwarz und Weiß bedeutete, an den Playoffspielen um den Abstieg teilnehmen zu müssen. Schlussendlich stand der zweite Abstieg in Folge fest. Als sei das nicht schon genug, hatte der Klub auch noch große Geldprobleme. Ein Insolvenzverfahren wurde eröffnet. An dem Tag, als dieses vor dem Insolvenzgericht verhandelt werden sollte, gab es in Cluj eine große Demonstration mit etwa 5.000 Teilnehmern unter dem Motto: „Wenn U nicht wäre“.
Bis kurz vor dem Start in die neue Saison war nicht wirklich klar, ob Cluj nun in der dritten oder sogar in der vierten Liga starten würde. Wer dachte in und um unseren Verein aus Kaiserslautern geht es schon chaotisch zu, dem sei zu sagen: es geht noch viel schlimmer! Universitatea startete schließlich die Saison 2016/2017 in der vierthöchsten Spielklasse Rumäniens.
Einblicke in die rumänische Ultraszene
Aufgrund eines längeren Aufenthaltes in Rumänien und durch Kontakte, die ich bei vorherigen Aufenthalten geknüpft habe, konnte ich in den Genuss kommen, die Hinrunde von U mit zu begleiten und einige Einblicke in die rumänische Ultrakultur zu erhaschen. Sportlich gesehen waren die meisten Spiele eher uninteressant. Nur ein einziges Mal lies der Klub aus Transsilvanien Punkte liegen, bei einem 2:2 Unentschieden Auswärts in Turda. Selbiges Team schlug man allerdings nur einige Tage später grandios im Verbandspokal und lag nach 12 Minuten bereits 3:0 in Führung. Auch die restlichen Spiele kann man getrost in die Kategorie „Opfer, keine Gegner“ stecken. So kam es nicht nur einmal vor, dass man eine zweistellige Anzahl an Toren erzielte. Rekord in der Hinrunde war ein 12:0-Erfolg gegen A.C.S. Unirea Tritenii de Jos. Insgesamt schossen die in schwarz und weiß gekleideten Kicker in den 14 Vorrundenspielen 82 Tore und mussten nur 5 Gegentore hinnehmen.
Deshalb will ich euch vor allem von den Impressionen von den Rängen berichten. Von Zuschauerzahlen wie in Deutschland ist Rumänien meilenweit entfernt, selbst oder vor allem in der ersten Liga. Einen kleinen Artikel über die Hintergründe findet ihr in dem Artikel „Warum nicht nur die Fans den professionellen Fußball den Rücken kehren“ (peoricestadion.eu) Zum Halbfinal Spiel von U gegen Steaua in der Saison 2014/2015 kamen beispielsweise „nur“ 10.000 Menschen ins Stadion, was für Rumänien abseits von den Hauptstadtvereinen schon sehr beachtlich ist. Zu normalen Heimspielen waren es wohl so etwa 2.000 Menschen, natürlich immer abhängig von Wetter, Gegner und Anstoßzeit. In der vierten Liga kamen schätzungsweise durchschnittlich etwa 1.000 Leuten zu den Spielen, teilweise auch bedingt durch katastrophale Anstoßzeiten wie etwa Mittwochs um 16:00 Uhr. Trotzdem eine, wie ich finde, sehr erfrischende Erfahrung. Spieler, die noch ohne Namen auf dem Trikot auflaufen, ohne Trikotsponsor, so gut wie keine Werbung im Stadion und keine nervige Dauerbeschallung durch die Stadionanlage. Und auch keine Fernsehübertragung mehr, da der Verein nun unterklassig spielt. Wer das Spiel sehen wollte, musste eben ins Stadion gehen. Kurz gesagt einfach nur ein Fußballspiel vor Menschen die eben nur auf genau das Bock haben: ein Fußballspiel.
Die Atmosphäre im Stadion hat durchaus ihren eigenen Charme. Klar wirken so wenige Zuschauer in einem so großem Stadion auf den ersten Blick etwas verloren, trotzdem schaffte man es mit den Leuten die da waren eine Stimmung zu erzeugen die einem Fußballspiel würdig ist und nicht selten konnte man hören, wie der Schall der Gesänge von der gegenüberliegende Seite wieder zurück kam. Generell hatte, beziehungsweise habe ich den Eindruck, dass nicht nur der Fußball, sondern auch die Ultrakultur bei weitem nicht so professionalisiert ist, wie bei uns. Sei es vom Stil der Fahnen oder Spruchbänder, die größtenteils längst nicht diese „grafische Finesse“ haben, die sich in Deutschland über die letzten Jahre entwickelt hat, als auch was die Organisation des Auftritts im Stadion angeht. Wie in meinen bisherigen Berichten bereits geschildert, verbringen die Rumänen längst nicht so viel Zeit im Stadion, wie man es aus Deutschland kennt. Zwanzig Minuten vor Spielbeginn ist die Kurve meist noch gähnend leer, erst kurz vor Anpfiff wird das Stadion geentert, die Zaunfahne aufgehängt und sich trotz des Rauchverbots noch schnell ‘ne Kippe gegönnt. Bei so einer knappen Zeitkalkulation kommt es natürlich jedes Heimspiel vor, dass Leute aus der aktiven Szene auch erst nach Anpfiff ins Stadion kommen. Der Support wird natürlich auch hier durch einen Vorsänger koordiniert. Es kann aber auch mal vorkommen, dass derjenige kurz für ein paar Minuten während des Spiels verschwindet, weil er beispielsweise schnell einen Anruf entgegennimmt oder sich selbst schnell mal eine Zigarette durchzieht. Naja eben alles etwas chaotischer und nicht so straff organisiert.
U Cluj Vereinshymne
Liedtechnisch konnte mich das Ganze hier aber durchaus mehr als nur überzeugen. Statt eines standardmäßigen „You’ll never walk alone“ gibt es hier die mehrstrophige Vereinshymne zum Einlauf auf die Ohren – natürlich ohne nervige Untermalung von den Lautsprechern. Zu der Melodie von „Freude schöner Götterfunken“ werden auch immer die Schals mit in die Luft gereckt. Auch sonst konnte ich hier neben den kurzen Anfeuerungsrufen und ein paar sehr bekannten Melodien, aber auch viele solcher hören, die meinen Ohren fremd waren. Gepaart durch die etwas melodischer klingende rumänische Sprache hatten einige Lieder durchaus Ohrwurm Charakter. Teilweise sind auch mehrstrophige Lieder mit sehr kreativem Text im Repertoire.
Choreo zum ersten Spieltag unter dem Motto: „Wir entfachen keine neue Flamme, denn die alte ist nie erloschen! Es ist keine neue Geschichte, wenn das Ende nicht geschrieben wurde!“
Zum Anfang der Saison hatte man das Gefühl, dass die Fanszene im Vergleich zu den Auftritten, die ich in der ersten Liga sehen konnte, mehr Freiheiten genoss. So war Pyrotechnik in der ersten Hälfte der Hinrunde ein fester Bestandteil der optischen Untermalung und kam so gut wie bei jedem Spiel zum Einsatz. Zum Start der zweiten Halbzeit wurde es meistens neblig im weiten Rund. Das sollte sich allerdings im Verlauf der Hinrunde mit zunehmender Repression dann noch ändern.
Vorfreude gab es bei mir vor allem auf die Auswärtsspiele. Vor der Saison wurde über die Google Bildersuche bereits das eine oder andere Stadion erkundet. Neben Dorfplätzen, die überhaupt nichts außer einem Fußballplatz und einen Zaun drumherum haben, gab es kleine Stadien mit durchaus einzigartigen komischen Tribünen bis hin zur einer richtig geilen alten Schüssel. Leider gab es schlussendlich dann nur ganze vier (!) Auswärtsspiele, wovon ich zwei verpasste, da ich erst ab dem dritten Spieltag hier eintraf. So verzichtete der ein oder andere Verein auf sein Heimrecht, und schenkte Cluj ein Heimspiel, um etwas bei den Ticketeinnahmen mitzuverdienen und ein Spiel wurde auf Drängen der Bullen nach Cluj verlegt.
Mihai Georgescu – U Cluj, 0:8, Baza Sportiva
Mein erstes Auswärtsspiel konnte ich dann bei einem Verein, der auch aus Cluj stammt, sehen. Mittwochs 16:00 Uhr, welch glorreiche Anstoßzeit. Flutlicht anschalten ist für den Ligabetrieb in der vierten Liga zu teuer, wodurch dieser grausige Termin zustande kam. Für viele leider aufgrund von Arbeitszeiten nicht machbar. Der kleine Sportplatz liegt irgendwo zwischen den Stadien von U und CFR, allerdings doch schon im Gebiet des Feindes. Bei heftigsten Regen fanden sich etwa 250 schwarz-weiße Fans auf dem kleinen Stehplatz längs des Spielfeldes ein. Fünf Betonstufen auf dem notdürftig ein paar Holzbretter festgeschraubt waren, links und rechts teilweise schon so verwuchert, dass man dort nicht mehr stehen konnte. Davor ein Zaun, der nicht nur teilweise stark bewachsen war, sondern auch große Löcher aufwies. Keine Anzeigetafel, kein Stadionsprecher – Fußball pur! Und auf den Rängen sangen und sprangen die Fans, trotzten dem Regen und der Anstoßzeit und unterstützten ihr Team, dass die Unterstützung allerdings nicht wirklich nötig hatte. Selbst mit angezogener Handbremse erzielte man einen hohen Kantersieg, nicht nur durch die eigene Übermacht, sondern auch verschuldet durch die Unfähigkeit des Gegners, der sich mindestens zwei Dinger selbst reinlegte. Für einen optischen Akzent sorgten die Fans diesmal ausnahmsweise nicht durch Pyro, sondern mit Kassenrollen die direkt nach Spielbeginn gen Spielfeld flogen. Der eine oder andere Spieler hatte große Mühe, dort zu spielen und verhedderte sich in all dem Papier, weshalb der Schiedsrichter kurz das Spiel unterbrach und die Spieler zum Aufräumen verdonnerte. Natürlich sendete man auch einige Grüße an den Stadtrivalen und vor allem ein Lied, in dem man betontet, dass man die einzige Fankurve in Cluj-Napoca sei, wurde immer wieder laut und ausdauernd zum Besten gegeben. Nach dem Spiel gab es noch eine kurze Schubserei mit den Bullen, was genau los war oder warum die Bullen nach dem Spiel so aggressiv waren, konnte mir niemand so wirklich erklären.
Fast genau zehn Jahre nachdem die Fahne der Black Devils zum ersten Mal bei einem Spiel von U Cluj am Zaun hing, feierte die Gruppe mit einer Choreografie ihr 10-jähriges Bestehen. Um sich auf das Spiel einzustimmen, trafen sich die Jungs bereits am frühen Mittwochvormittag in einer Pizzeria, versteckt in einer kleinen Seitenstraße zwischen irgendwelchen Blocks. Auch ich war eingeladen und konnte mit den Jungs bei einigen selbst für rumänische Verhältnisse unschlagbar billigen Bieren und Pizza etwas plaudern, bevor es uns in eine Kneipenstraße unweit des Stadions zog während die ersten sich mit der Choreo auf den Weg ins Stadion machten. Zu Beginn der zweiten Halbzeit sollte dann eigentlich die Choreo durchgeführt werden, das Ganze umrandet von etwas Pyro. Allerdings begaben sich in der Halbzeit mehrere kantige Ordner in die Kurve und stellten sich direkt zu den Jungs. Nach so viel Pyrotechnik in den letzten Spielen hatten die Jungs den Braten wohl gerochen, weshalb an eine Durchführung wie geplant erst mal nicht zu denken war. Nach Verhandlungen mit den Ordnern konnte man erreichen, dass diese sich ein paar Minuten vor Spielende verpissen und man dann die Choreografie wie geplant durchführen kann. So wurde dann drei bis vier Minuten vor Spielende schließlich das Spruchband aufgehängt und die Blockfahne entrollt, auf der eine 10 zu sehen war, umrahmt mit einem Lorbeerkranz und in der Null das Logo der Gruppe platziert. Das ganze stand unter dem Motto „Heute feiern wir 10-jährige Aktivitäten für ein Symbol, dass für die Ewigkeit hält!“.
Dazu wurden unter der Choreo noch einige Rauchbomben, ein paar Bengalos und einige Böller gezündet. Noch während die Blockfahne oben und die ganze Kurve in Rauch gehüllt war, kamen die Ordner zurück in die Kurve und kassierten einen der Jungs ein. Das Spiel endete schließlich mit einigen Ultras die aus der Kurve stürmten um sich zu solidarisieren und zu sehen, ob man vielleicht denjenigen noch befreien könnte. Das alles half nichts und er musste mit den Bullen erstmal eine Zeit lang mit aufs Revier. Ein paar Jungs warteten auf den in Gewahrsam-Genommen, was zu einer weiteren Festnahme eines „Pyrosünders“ führte, der währenddessen über die Videos identifiziert wurde.
CS Floresti – U Cluj, 1-2 Cluj Arena
Nur drei Tage später feierten auch die Boys ihr 10-jähriges Bestehen, natürlich auch mit einer Choreografie zu Ehren ihres Geburtstags und umrandet mit etwas Pyrotechnik. Es sollte das letzte Mal in der Hinrunde sein, dass das Stadion in Rauch gehüllt wurde. Auch dieses Mal versuchten die Ordner der „Scutul Negru“ noch während der Pyroshow Leute herauszuziehen, was dieses Mal aber von der Kurve erfolgreich verhindert werden konnte und in Drohungen seitens der Security endete.
IS Campia Turzii – U Cluj,0-4, Stadionul Mechel
Organisatorisch war die Anreise ein Hin und Her. Ein Großteil der Szene reiste die circa 40 Kilometer mit dem Zug zum Auswärtsspiel. Da der Zug fast zwei Stunden brauchte, war ich doch froh einen Autoplatz zu ergattern und nicht bereits morgens um 7:00 Uhr am Bahnhof sein zu müssen. Geplanter Treffpunkt für uns war kurz nach 8:00 Uhr in dem Stadtteil in dem ich wohnte. Als ich völlig übermüdet vom Handy geweckt wurde, hatte ich die Nachricht aus der Nacht gelesen, dass der Fahrer sich verzählt hat und doch kein Platz mehr im Auto vorhanden sei. Ziemlich enttäuscht, da ich den Zug ja bereits verpasst hatte und sonst auch keine andere Option hatte, drehte ich mich um und schlief weiter bis mein Handy wieder klingelte. Diesmal war es nicht der Wecker sondern ein Freund. Der Fahrer hat sich schon wieder verzählt, ich sollte in zehn Minuten bei ihm sein, dann ich könnte ich mitfahren. Noch nicht mal richtig wach musste ich erst mal in die Dusche springen und habe es sogar zu meinem Verwundern in knapp zehn Minuten bis zu ihm geschafft. Mit zwei Autos machte wir uns auf den Weg und steuerten erstmal eine Tankstelle an, um eine Art Lizenz zu kaufen, um mit dem Auto auch außerhalb der Stadt fahren zu dürfen. Das andere Auto steuerte danach direkt die nächste Tanke an, um einige Biere zu kaufen. Warum man dafür extra noch an eine andere Tankstelle fährt, bleibt mir bis heute ein Rätsel, aber nun ja. Als wir Cluj endlich verlassen hatten, fuhren wir direkt wieder raus auf einen Parkplatz um noch ein Mobfoto zu schießen, und auch das andere Auto mit Bieren zu versorgen. Da dies nicht unser letzter Stopp sein sollte, brauchten auch wir zwei Stunden bis zum Stadion. Ohne die Pausen wären es aber wohl trotzdem etwas mehr als eine Stunde Fahrt für 40 Kilometer gewesen, Rumänien überrascht mich echt immer wieder. Das Stadion selbst hatte durchaus Charme, der Gästeblock bestand aus ein Paar Betonstufen längs des Spielfeldes, die auch überdacht waren. Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine kleine richtig urige Tribüne, in der sich unten die Umkleidekabinen befanden. Die Gästemeute startete gut aufgelegt im sonnigen Gästeblock ins Spiel und erreichte eine gute Lautstärke. Nach etwa zehn Minuten wurde der Support aber erst einmal unterbrochen. Die Ordner wollten scheinbar jemanden nicht ins Stadion lassen, was dazu führte, dass ein paar Ultras am Zaun mit den Ordnern diskutierten. Die Situation eskalierte schnell und kurze Zeit später befanden sich einige Ultras im Nebenblock und im Innenraum des Stadions beziehungsweise teilweise auch etwas auf dem Spielfeld. Nach einer kurzen Spielunterbrechung beruhigte sich die Situation wieder und alle Ultras fanden sich wieder im Gästeblock ein, um nun richtig aufzudrehen. Vor allem das Lied „ U Cluj ist die Mannschaft die dich zum Vibrieren bringt“ wurde lang ausdauernd und richtig laut gesungen. So direkt unter dem Dach hat das schon richtig gescheppert und fast der ganze Gästeblock sprang wild durcheinander. Für mich definitiv das Highlight der Hinrunde. Nach dem Spiel, das (natürlich) gewonnen wurde, machte sich die Meute auf den Weg aus dem Stadion, die meisten bogen nach links ab, ich mutmaßte Richtung Bahnhof, also habe ich mich auf den Weg zum Auto gemacht. Der Mob war allerdings auf dem Weg die Heimtribüne zu entern und dort nochmals ihre Fahnen aufzuhängen und etwas zu singen, was bis zum Auto und auch bestimmt noch weiter in das Dorf hallte. Auf dem Rückweg wurde sich natürlich nochmal bei der erst besten Gelegenheit mit Bier eingedeckt und eines der Autos musste konsumbedingt ihren Fahrer auswechseln.
Armenopolis Gherla – U Cluj, 0-2 , Cluj Arena
Eines der letzten Spiele der Saison stand im Zeichen des Protests. Eigentlich sollte U ein Auswärtsspiel bestreiten und musste am Ende doch wieder daheim spielen. Das Ganze wurde von den Bullen gekippt, da das Stadion angeblich nicht tauglich wäre für die erwartete Masse an Zuschauern. Beim ersten Auswärtsspiel, bei dem es rund um den Sportplatz nichts als einen Zaun gab, keine Tribüne, nichts, war das allerdings kein Problem… Unter der Hand munkelt man, die Bullen hatten einfach keine Lust raus aufs Land zu fahren, um die Fans zu begleiten, weshalb sie Druck gemacht haben, das Spiel nach Cluj zu verlegen. Aus Protest gegen diese Maßnahme und die erhöhte Polizeipräsenz, neue Stadionverbote und andere Repressalien, entschied man sich, die erste Halbzeit komplett zu schweigen und keine Zaunfahnen aufzuhängen. Stattdessen prangte vor der Kurve über das Ganze Spiel ein Spruchband mit dem Inhalt „Ihr filmt uns jedes Spiel während wir ein Bier trinken und singen, währenddessen passieren anders wo Straftaten und der Täter kann gemütlich davon laufen“. Zur zweiten Halbzeit startete die Peluza Sepcile Rosii dann mit der Vereinshymne, die normalerweise traditionell zu Beginn des Spiels von den Anhängern gesungen wird, was mit lauten Applaus und Jubel von den Sitzplätzen quittiert wurde. Im Laufe des Spiels wurde dann nicht nur die Mannschaft unterstützt, sondern auch immer wieder lautstark in Richtung Bullen und Security gepöbelt.
U Cluj – Vulturul Mintiu Gherlii, 8:0, Cluj Arena
Ende November zum letzten Spiel der Hinrunde musste U, wer hätte es gedacht, mal wieder daheim ran. Natürlich konnte auch dieses Spiel souverän gemeistert werden, was Cluj zum Herbstmeister machte. Besonders war wohl der Auftritt der Fans: Diese packten für die letzten Minuten des Spiels schon mal ihre Banner ein und wechselten in den Unterrang der Kurve, wo für die restliche Spielzeit nochmal richtig Gänsehaut-Atmosphäre erzeugt wurde. Zu Spielende, als die Mannschaft dann in Richtung der Fans kam, um sich für die Unterstützung zu bedanken, betrat man dann einfach fix die Tartanbahn des Stadions und feierte hautnah mit den Spielern, als hätten diese gerade schon den Aufstieg klargemacht.
Basketball U BT Cluj – CSU Sibiu, 91-80, Sala Polivalenta
Da die Hinrunde ja schon recht früh zu Ende war, besuchte ich noch zwei Basketballspiele des Universitätsteams. Auffällig war, dass auch dort einige bekannte Gesichter der Ultraszene zu sehen waren. Ab und zu kommen diese auch organisiert zum Spiel und unterstützen auch die Basketball- oder Handballmannschaften. So war es auch gegen Sibiu, beide Teams stehen in der Tabelle relativ nah beieinander und kämpfen um die Meisterschaft. Traditionell ist das Verhältnis der Fanlager beim Basketball auch wegen der regionalen Nähe eher angespannt, das Spiel wurde im Vorfeld als das Basketballderby von Transsilvanien beworben. Aus Sibiu begleiteten rund 200 Fans ihr Team komplett in Gelb. Angeführt wurde der Mob, der schon gut aufgelegt an der Halle ankam, von den Ultras Sound, der einzigen Basketball-Ultragruppe Rumäniens. Diese sollten allerdings im zweiten Viertel ihre Zaunfahne verlieren. In der Halbzeit starteten noch einige Anhänger der Heimseite den Gästefans einen Besuch ab, um sie nochmal freundlich daran zu erinnern, wer jetzt im Besitz ihrer Zaunfahne ist. Da die Bullen eingriffen und anfingen die Leute zu filmen, verließen diese zu Beginn des dritten Viertels dann die Halle. Die Gruppe Ultras Sound verkündete ein paar Tage später per Facebook ihre Auflösung. Neben der Zaunfahne blieben auch die Punkte in Cluj, auch wenn Sibiu durchaus Chancen auf einen Sieg hatte.
Ein kleines Dankeschön geht an dieser Stelle noch raus an alle neuen Bekannten und Freunde, die diese Erfahrung für mich möglich gemacht haben und an Christian Cosma mit dessen freundlicher Genehmigung wir seine Bilder hier publizieren können.
Wir zeigten gestern beim Heimspiel gegen die Würzburger Kickers das Spruchband “01.02.2012, Port Said: never forgive – never forget”. An dieser Stelle wollen wir kurz auf die Hintergründe dazu eingehen:
Am 01. Februar jährte sich die Katastrophe von Port Said zum fünften Mal. Damals, es war der 01. Februar 2012, fand das Spiel des Tabellenführers Al Ahly Kairo gegen den Erzrivalen Al Masry im Stadion von Port Said statt. Nach Abpfiff des Spiels gingen Anhänger von Al Masry auf die Fans von Al Ahly los – bewaffnet mit Macheten, Schlagstöcken, Brandsätzen und Steinen. Die Sicherheitskräfte ließen – Augenzeugenberichten zufolge – die Fans von Al Masry ungestört agieren. Auch sollen Fluchtwege und Tore zugesperrt sowie Absperrungen, die die Fanlager trennte, geöffnet worden sein. Es kamen dabei insgesamt 74 Menschen zu Tode – überwiegend junge Fans von Al Ahly. Die (überlebenden) Anhänger von Al Ahly machten im Nachhinein die Militärregierung sowie die Behörden der inneren Sicherheit für das Massaker verantwortlich.
Agypten befand sich nach den Massendemonstrationen der Revolution, deren Zentrum damals der Tahrir-Platz in Kairo war, in einer Phase des Umbruchs, nachdem Präsident Mubarak gestürzt wurde. An der Spitze der Revolution standen unter anderem auch junge Ultras von Al Ahly Kairo – dies brachte sie wohl in das Fadenkreuz des eng mit dem alten Mubarak-Regime verbundenen Sicherheitsapparates.
Auf das Massaker folgten Demonstrationen in ganz Agypten, in deren Zuge es auch zu Straßenschlachten mit der Polizei und dem Militär kam. Damals kamen dutzende Menschen dabei zu Tode. Das Parlament leitete umgehend eine Untersuchungskommission ein, deren Ergebnis war, dass weder Militär noch Polizei verantwortlich für das Massaker seien, sondern die Fans sowie das Sicherheitspersonal im Stadion. Konsequenz war die Auflösung des agyptischen Fußballverbandes. Bis heute finden alle Spiele unter Auschluss von Fans statt. Die tatsächlichen Hintergründe des Massakers sind bis heute nicht geklärt.